Mein erster 5000er - Expedition im Kaukasus
Schnee, Sturm und Chevapchichi
Es gibt Momente im Leben, die so verrückt sind, dass sie einem später fast wie ein Traum vorkommen – ein Traum mit eiskaltem Wind, Schneesturm und einem Hauch von Wodka. So ein Moment war meine erste Expedition im Kaukasus. Mein Ziel: gleich mal einen 5000er besteigen. Und das als absolute Bergsteiger-Novizin. Bis dahin hatte ich in den Alpen höchstens ein paar “erhebliche Hügel” erklommen – aber der Elbrus, 5 642 Meter hoch, sollte mich lehren, was wirklich oben bedeutet. Angst? Aber hallo! Doch wer mich kennt, weiss: Wenn’s ernst wird, hilft nur eins – eine To-do-Liste.
Der Einstieg: Vom „Was mach ich hier?“ zum „Ich bin eine Bergsteigerin!“
Bevor ich mich in die weisse, kalte Welt des Kaukasus wagte, musste ich erstmal klären, wie man sich überhaupt auf sowas vorbereitet. Also: Hochtourenkurs. Natürlich als Crashkurs – weil, wer braucht schon monatelange Vorbereitung, wenn man auch in vier Tagen “bereit” sein kann? Der Elbrus gilt als technisch eher einfach, aber die Höhe, das Wetter, der Wind - die sind alles andere als planbar. Ich hatte keine Ahnung, wie mein Körper reagieren würde. Aber ich hatte Vertrauen. Und ein kleines Fläschchen Wodka, man weiss ja nie.
Die Reise: Von Moskau nach Mineralnye Wody
Die Expedition begann nicht am Berg, sondern irgendwo zwischen Gate 23 in Moskau und einem holprigen Inlandsflug nach Mineralnye Wody. Schon dort merkte ich: Das Abenteuer hatte längst angefangen.
Ich verstand kein Wort der Durchsagen, das Gepäckband drehte sich in Zeitlupe und ich fragte mich mehr als einmal, ob mein Gepäck vielleicht schon ohne mich auf dem Weg in den Kaukasus war. Aber genau das war der Reiz - dieses Gefühl, komplett aus der Komfortzone zu treten und sich einfach treiben zu lassen.
Als ich endlich in Mineralnye Wody ankam, wartete dort mein Team: zwei Deutsche, zwei Kanadier und unser lokaler Guide. Eine bunt zusammengewürfelte Truppe, die vom ersten Moment an wusste, dass sie sich aufeinander verlassen konnte. Sechs Menschen, vier Sprachen, ein Ziel: rauf auf den Berg. Und spätestens beim ersten gemeinsamen Lachen über die unlesbare russische Menükarte war klar: Das hier wird kein gewöhnlicher Ausflug.
Akklimatisierung und UNO: Die wahre Expedition
Die ersten Tage waren der Akklimatisierung gewidmet - und dem Warten auf ein gutes Wetterfenster. Warten. Noch mehr Warten. Und zwischendurch UNO spielen. Aber natürlich nicht nach den Regeln. Wir erfanden unsere eigenen. Der Joker wurde kurzerhand zum “Freibrief für den Gipfelsturm”, was die Motivation schlagartig steigerte. Zwischen Lachen, Kartenstapeln und heissen Tee verging die Zeit - und ich merkte: Expeditionen sind weniger Kampf gegen den Berg, sondern vielmehr gegen die eigene Ungeduld.
Die Besteigung - Quick & Dirty
Dann kam der grosse Tag. Noch im Dunkeln, eingepackt in Schichten, stapften wir los, hinein in den Sturm. Der Wind pfiff uns um die Ohren, der Schnee kam waagerecht und die Sicht war so schlecht, dass man kaum die Hand vor Augen sah. Und das im August. Jeder Schritt war Arbeit und ein kleiner Sieg. Der Aufstieg fühlte sich an wie ein überambitioniertes Fitnessprogramm - mit Schnee, Kälte und wenig Sauerstoff. Doch irgendwann war da dieser Moment: Das Wissen, dass der Gipfel gleich da ist.
Als wir oben standen, im Nebel, im Wind, im Rausch der Höhe, war es weniger “Aussicht geniessen” als vielmehr “Oh wow – wir sind wirklich hier!”. Ein paar Tränen liefen. Vielleicht vor Freude, vielleicht wegen des Windes. Wahrscheinlich beides.
Hüttenkost und Chevapchichi – Der wahre Höhenpunkt
Nach dem Abstieg dachten wir alle nur noch an eines: Essen. Im Tal steuerten wir das erste Restaurant an, das wir finden konnten und bestellten Chevapchichi. Nach Tagen von Eintopf und Bergkost schmeckten sie wie ein Fünf-Gänge-Menü. Wer hätte gedacht, dass ein paar gegrillte Fleischröllchen so göttlich sein können?
Fazit: Ein Abenteuer fürs Leben
Diese Expedition war kurz, aber intensiv und sie hat mir mehr beigebracht, als ich erwartet hätte. Nicht nur übers Bergsteigen, sondern über mich selbst. Ich habe gelernt, wie wichtig Vorbereitung ist, aber auch, dass man nie alles planen kann. Ich habe gelernt, dass Humor die beste Ausrüstung ist, wenn der Sturm tobt. Und dass es Momente gibt, in denen man sich fragt, was man da eigentlich tut - nur um später zu wissen: Genau das.
Wenn ich die Launen des Kaukasus überstanden habe, dann bin ich bereit für mehr. Für den nächsten Gipfel. Für das nächste Abenteuer. Und ganz sicher: für noch mehr Chevapchichi-Momente.
Aussicht vom Lager auf 3800 m